Das gewaltige Kreuz markiert in unserer Kirche unübersehbar die Mitte. Es bildet einen Blickfang, dem sich wohl kein Betrachter entziehen kann - sei es nun fasziniert oder abgestoßen.

Es ist wahrlich kein Kreuz, das eine triumphale Überwindung von Leid und Tod vekündet. Aber mit seiner Botschaft vom Scheitern des Menschen und seiner Ohnmacht angesichts von Leid und Tod, ja sogar von seiner Verlassenheit gerade im und am Kreuz ist es den Menschen näher, als sie zunächst selbst empfinden können oder wollen. Ein Besucher hat es wie folgt ausgedrückt: Auf dieses Kreuz kann man alles schmeißen, seinen Schmerz, seine Wut - merkwürdig, dieses Kreuz aus Schrott und Wracks der Abfallgruben unserer Zeit, es hält stand, es widersteht!
Das den Kirchenraum so stark dominierende Schrottkreuz wirkt auf viele Menschen wie die Glorifizierung von Tod und Leid. Sogar das makabre Erkennungszeichen der nationalsozialistischen Ideologie, das Hakenkreuz, wird gleich doppelt in der Schrottansammlung sichtbar. Muß nicht gerade jetzt die Kirche den Sieg Christi, ihres Gründers, befreit vom nationalsozialistischen Maulkorb und dem damit verhängten Rede- und Predigtverbot wieder machtvoll verkünden? Statt dessen scheinen Greuel und Verwüstung auch an heiliger Stätte zu triumphieren. Abfälle von Autofriedhöfen und Schrotteile, verrostete Ofenrohre und lauter wertlose und weggeworfene Eisen- und Metallteile wurden in der Kirche zu einem unförmigen Gebilde zusammengeschweißt.
Bei näherem Hinsehen wird deutlich, daß das Kreuz nicht nur eine Ansammlung aus Schrott und Abfall ist, die willkürlich und mehr oder weniger zufällig in einer Kreuzesform zusammengefügt wurde. Der Emmericher Künstler Waldemar Kuhn, dessen provozierende Altar- und Kreuzlösung den Vorzug vor anderen Entwürfen erhalten hatte, schuf statt eines Kreuzes eine Kreuzigung.
Sein Kreuz ist eine Symbiose von Paradiesbaum und Kreuzesstamm. Betrachtet man das sieben Meter hohe und neun Meter breite Kreuz von unten nach oben, wird erkennbar, wie es im unteren Bereich organische Züge zeigt, die sich blattförmig und rankenhaft entfalten. Das nächste Kreuzesteil erweist sich als Andeutung eines Herzens. Seitlich erkennt man schlangen- oder schlauchähnliche Gebilde, die an Adern erinnern. Die Aorta zieht sich oberhalb weiter; die Lanze ist verdeckt ins Herz gestoßen. Über dem angedeuteten Thorax, der baldachinartig nach vorne ragt, geht es rechts in einer Schlagader mit Aderknoten weiter, die sich in der Armpartie fortsetzt und einfügt. Sie endet in einer angedeuteten offenen Hand (siehe Bild links).

Kreuzdetail - Offene Hand
Kreuzdetail
Aufnahme des illuminierten Kreuzes während der Jugendkirche 2006.

Die linke Kreuzeshälfte zieht sich über aufgerissene, geschwürhafte Partien, über posaunenartige Gebilde bis zur nach rückwärts geschlossenen Faust. Über der Mitte befinden sich Zacken und Spitzen als Anspielung auf die Dornenkrone. Dann gähnen den Betrachter kaminartige, offene Rohrteile an. Über dem Rohrkragen des sich nach rechts neigenden offenen Rohrteils ist mit Schweißdraht ein Hakenkreuz gelegt; ein weiteres ist seitlich weiter oberhalb zu sehen. Noch weiter oben findet man im Kreuz nach einem kompakteren Teil mit fließenden Formen ein Oberstück, das eher einem Bugstück oder einer Wetterfahne gleicht. Dann fließt es der Spitze zu und endet gleichsam in einem stilisierten Vogel.
Der am Kreuz zu Tode Gemartete ist also keineswegs vom Kreuz verbannt; im Gegenteil: er ist im Kreuz der wesentliche Inhalt des Martyriums geworden. Christus ist mit dem Kreuz identisch und teilt unausweichlich das Schicksal von Vernichtung und Untergang. In dieses wahrhaft scheußliche Kreuz ist er verstümmelt, mißhandelt, verachtet, mißbraucht und seiner Würde gänzlich beraubt hineingeschweißt. Und trotz seiner Ohnmacht breitet der Gemarterte auch noch im Tode seine Arme mit den verstümmelten Händen weit aus. Er ist bereit, immer noch mehr Leid mit seinen Tod zu nehmen; das Kreuz ist nicht von Ungefähr breiter als hoch. Es entsteht so der Eindruck, als wolle der am und hier im Kreuz Sterbende das Leid der ganzen Welt an sich ziehen und in seinen Opfertod hineinnehmen.

Im Angesicht dieses Kreuzes soll dem Menschen nicht nur bewußt werden, daß er angesichts des eigenen Leidens und Sterbens nicht allein bleibt, sondern daß auch sein Scheitern und Versagen im Urteil seiner leistungsorientierten Mitkonkurrenten vor dieses Kreuz bringen kann, wo ihm die Mühsal und Last des täglichen Kampfes abgenommen werden, von ihm, Christus, der mitgeht in die äußerste Entwertung. Hier gelten andere als die gesellschaftlichen Maßstäbe, denen sich die Menschen unterworfen haben. So kann die umfassende Heilswirkung des Kreuzes für die Menschen schon hier und jetzt spürbar werden.

Gedanken zum Kreuz von M. Hermsen: Hier klicken

Illumination des Kreuzes während der Aktion “veni!-Jugendkirche Heilig-Geist” (www.jugendkirche-veni.com)

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